Paris - CARNAC ( 27.-29.04.2004 )

Eine Fahrradtour von Poissy (Paris) nach Carnac in 3 Tagen - 500 Km Lust und Leiden



Was soll das denn ? Manche Ideen brauchen keine Erklärung, andere sind auf den ersten Blick schwer zugänglich.


500 Km in 3 Tagen zurück zu legen ist für einen Rad-Hobbyisten nicht selbstverständlich. Es braucht deshalb einen Anlass, einen Motor, der die Idee zum Fliegen bringt. Bei mir war es die Tatsache, dass der diesjährige Urlaub über Paris an die bretonische Küste führte. Das "letzte Teilstück" konnte ich doch auch mit dem Fahrrad zurück legen ?

Gedacht, geplant, zumal die Routenplanung ein weiteres Hobby von mir ist. Nachdem die Streckenführung fest lag, ging es an die Kleinigkeiten wie Bekleidung, Unterkunft, Verpflegung. Als auch das trotz einiger Reservierungsprobleme geschafft war, gab es kein Zurück mehr.

Startschuss war Samstag, der 24.07.2004, in einer Tiefgarage von Poissy.

1.  Etappe

Poissy (Paris) -

Nogent-le-Rotrou

146 Km


2. Etappe

Nogent-le-Rotrou -

La Guerche-de-Bretagne

184 Km


3. Etappe

La Guerche-de-Bretagne - Carnac/Plage

174 Km

1. Etappe: 146 Km

Poissy (Paris) - Nogent-le-Rotrou

Technische Details...

1. Etappe:

Poissy nach Nogent-le-Rotrou 144 Km

Abfahrt: 9:38 Uhr

Ankunft: 17:20 Uhr

Fahrtzeit: 6:00:00 Std

Durchschnitt: 24,22 km/h


..für die Statistik

Rennrad ca 11 Kg (unbeladen)

..plus Fahrer ca. 92 Kg

..plus Rucksack ca. 100 Kg


...im Rucksack

..leichte Bekleidung

..laminierte Michelin-Straßenkarten DINA4

..leichte Verpflegung

(Riegel, großes Baguette-Sandwich von

der Schwiegermutter, Trinkflasche)

..Fotoapparat


..Wetter

  Super ! Absolut tolles Fahrrad Wetter,

  Kein Regen während der 3 Tage

  Viel Sonne (!) und kein Mistral !!


Die Abfahrt aus Poissy trat ich durchaus mit gemischten Gefühlen an. Zum einen hing mir der Rucksack schwer über den Rücken und erinnerte mich daran, dass es nicht zur üblichen quick-and-dirty Trainingsfahrt ging, zum anderen stand mir das Fährtensuchen aus der Stadt heraus etwas vor dem Kopf. Aber meine Motivation war hoch, die erste Teilstrecke mehrfach im Kopf abgespeichert und so war mein erster Gedanke nach dem Startschuss auch positiv: 3 Tage pures Velo-Vergnügen lagen vor mir !


Mein Routenplan sah gleich am Anfang einige Steigungen vor, die mich sofort auf Betriebstemperatur brachten. Aus Poissy-Centre fand ich sehr schnell die D30. Es lief gut und nach einigen zusätzlichen Orientierungen erreichte ich die Stadt Beynes und kämpfte mich am Ortausgang durch den Foret de Beynes zum stillen malerischen Ort Vicq hoch. Immerhin mehr als 5 % laut Michelin.


Der kleine Ort Vicq, mein erster Biwak --->  



Der nächste Ort heißt Montfort l'Amaury. Am Ortseingang entscheide ich mich spontan gegen "toutes directions" und für "centre ville".


Nach einem Kilometer lande ich nicht nur auf einer langen Kopfsteinstrecke sondern auch inmitten des samstäglichen Einkaufsrummel in der Altstadt. Nach kurzer Besichtigungsrunde durch diesen malerischen Ort finde ich den knackigen Anstieg zur D138 und mache mich, um einige interessante Eindrücke reicher, auf den Weg nach Epernon über St.Leger en Yvelines.

Etwas zum Wetter...

Der Wettergott meinte es gut mit mir: Die Sonne war mein ständiger Begleiter und bei Temperaturen um die 30 Grad war es mir am ersten Tag fast schon zu heiß.

Was ich nicht ahnte: auf dem weiteren Weg durch die Beauce, die Kornkammer Frankreichs, verbrannte ich mir Arme und Beine an allen Stellen, die aus dem Textil herausragten.

In Epernon endlich die "große" Pause mit einem 2-Gänge Menu: ein gezapftes Bier und ein Glas Cola als Energieauffrischung. Die Pause war notwendig, auf der Terrasse des Cafés erhole ich mich deutlich. Das sonnige und gemütliche Provinzleben auf dem Marktplatz gibt mir einen großen Motivationsschub.


Nach Epernon kam der Anstieg zur D4 und der lange Weg durch die sonnenverbrannten Felder der Beauce begann. Zuerst ging es noch flott voran, 12 Km bis Nogent-le-Roi die wie im Flug vergingen. Schöne Weitsichten, wenig Verkehr.

Nach der Überquerung der Eure (Departement 28, Eure-et-Loire) und dem anschließenden Wiederaufstieg war meine Stimmung allerdings schon etwas gedämpft. Noch immer streckten sich die Kornfelder bis zum Horizont und jedes Erreiche desselben brachte nicht wirklich Neues, nur Bekanntes: Heiße Straßendecken, teilweise etwas ruppiges Pflaster und nirgends Schutz vor der Sonne. Noch ahnte ich nicht, was hier seinen Anfang nahm: Verbrennungen 1. Grades an beiden Beinen und Armen. Aber Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht.


Selbst die Ortsnamen wurden zäh: Chateauneuf-en-Thymerais, Belhomert-Guéhouville. Nach einer kleinen Mini Pause am Straßenrand liefen die 6 Km bis La Loupe locker dahin. Dort lud mich ein kleiner Tante- Emma-Laden mit Gemüse- und Obstauslagen auf dem Trottoir zur größeren Pause ein. Die ersten zwei frischen Pfirsiche verschlang ich gegen den Durst, den dritten verstaute ich zusammen mit dem letzten Baquette Stück, das die Fahrt von Paris bis jetzt überlebt hatte. Mit dem Besitzer konnte ich über mein Gesamtziel - Carnac in der  Bretagne - fachsimpeln. Für ihn war diese Strecke mehrmals im Jahr eine Tagesreise zu seiner Schwester, die  dort wohnte. Natürlich mit dem Auto.


Er zollte mir Respekt und gab mir einen entscheidenden Tipp für die  Weiterfahrt: Nicht über die viel befahrene D928 nach Nogent-le-Rotrou sondern über die wunderschöne und einsame Nebenstrecke (D25) an der Donette entlang über Bretoncelle, Condé-sur-Huisne (wieder so ein Name !) zum Etappenziel. Was wäre nur gewesen, wenn ich diesen freundlichen Ladenbesitzer nicht getroffen hätte ! Keine Pfirsiche, keine wunderschöne Nebenstrecke ! Und er hatte tatsächlich noch untertrieben. Angefacht von dem starken Gefühl, bald am Ziel zu sein, flog ich auf leicht abschüssiger Strecke durch die jetzt etwas kühlere und grüne Flusslandschaft. Nach einer weiteren Kurzrast in Condé-usw. (und immer wieder lockte der Pfirsich !) erreichte ich Nogent-le-Rotrou. Verglichen mit der Einsamkeit der Straße war dies eine lärmende Kleinstadt mit Plätzen, Cafés und vielen Straßenhändlern.


Nach einigen Extra Runden durch die City fand ich das kleine sportive Hotel. Das Zimmer war noch sportiver (keine Einzelheiten !), dafür waren aber die Besitzer sehr freundlich, die Übertragung der aktuellen Tour-de-France Etappe life und das Essen appetitlich und sehr preiswert.

2. Etappe: 185 Km

Nogent-le-Rotrou nach La-Guerche-de Bretagne

Technische Details...

2. Etappe:

Nogent-le-Rotrou la Guerche-de-Bretagne

184,5 Km

  Abfahrt:       8:35 Uhr

  Ankunft:       18:50 Uhr

  Fahrtzeit:      8:02:00 Std

  Durchschnitt:   23,2 km/h


Während ma in Deutschland an Tankstellen leicht und günstig Getränke bekommt, sind das in Frankreich die überall vorhandenen Cafés, Bistros, Tabacs. Hier kann man auch leicht seine Wasservorräte nachfüllen lassen. Die Freundlichkeit überrascht immer wieder positiv.

Sonntag Morgen, früher Auftritt im spartanischen Gästeraum. Nur wenige Gäste versammeln sich zum typisch französisch einfachen pétit déjeuner. Nicht sehr heimelig und keinesfalls motivierend für meine heutige Tour. Dennoch kommt etwas Fröhlichkeit auf. Im Radio plärrt mein Lieblingssender und lässt mir keinen Zweifel darüber, wo ich bin: "Il est 8:10, vous êtes sur Nostalgie!" Na bitte, wenigstens das. Und mit Georges Brassens sofort das stimmige Lied "Les copains d'abord!"


Nach kurzer Orientierung, guten Ratschlägen des Hoteliers mit exakten Angaben, wie ich die Stadt auf dem kürzesten Weg verlassen könnte, schwinge ich mich auf meinen Pinarello Stahlrahmen und radle durch die verschlafenen Straßen Nogents. Kurz vor dem Verlassen der kleinen Stadt "provisoniere" ich mich in einer kleinen Boulangerie mit Croissants und einem pain au chocolat.


Die ersten 13 Km des heutigen Tages nach Le Theil verlaufen angenehm. Es rollt gut, die Straße ist fast ohne Verkehr und ich bin sehr guter Dinge - noch ! Im Ort muss ich mich wieder orientieren: anhalten, Rucksack runter, Karte raus und vergewissern, dass ich noch in der richtigen Spur bin.





Irgendwann bin ich in Bonnetable, nach einigen Kurven und landschaftlich gemütlichem Radeln durch die sommerliche Heckenlandschaft. Meine Pause vor der Kirche ist verdient und wie immer bestelle ich mein Standard Gedeck: Cola, Bière pression und diesmal noch einen Café. Wenn das Ziel nicht so weit wäre, könnte es mir hier direkt gefallen. Bonnetable. Vor mir flattert eine Hochzeitsgesellschaft durcheinander und rundet die sonntägliche Ruhe ab. Vor der Weiterfahrt decke ich mich wieder in einer Boulangerie ein, diesmal mit Getränken und - natürlich - einem Croissant au beurre. Langsam schiebe ich mein Fahrrad in meine Windrichtung und verlasse die Stadt. Bald werde ich auch sie vergessen haben. Ballon, Beaumont-sur-Sarthe heißen die nächsten Stationen.


Weiter geht es Richtung Evron über Sillé-le-Guilleaume. Von Beaumont etwa 43 Km entfernt. Endlose Straße in dieser Region, Departement sagt man natürlich. Ile-et-Vilaine oder Mayenne oder wie auch immer.


Kilometer um Kilometer wie mit dem Lineal gezogen. Wellen aus Asphalt, manchmal auch grobkörniger Untergrund. Dann hilft nur Geduld und Geschwindigkeitsanpassung. Das Ziel am Horizont ist lange zu sehen und täuscht dennoch Endlichkeit nur vor. "Attention, un col pourrait cacher un autre !" Mit dieser Anspielung auf unbeschränkte Bahnübergänge vertreibe ich mir auch die Zeit. Nach fast zwei Stunden stumpfen Pedalierens bekommt man fast einen Zorn auf diese Pedanterie des Straßenbaus.


Auch läßt sich das Auge nur wenig ablenken. Jetzt beherrscht Landwirtschaft links und rechts das Bild. Heckenlandschaft so weit das Auge reicht. Keine Langeweile, aber eben doch nur Heckenlandschaft. Kühe heben ob meiner drolligen Erscheinung nur geringfügig interessiert den Kopf und verschwenden wohl kaum einen Gedanken an diese Ablenkung (sofern deren mächtig sein sollten). Aber der Blick in die Ferne entschädigt dann wieder, nicht der nach vorne sondern der von irgendeiner Anhöhe über die wellige Hügellandschaft. Jeder col, und sei er noch so klein, bringt Freude und Erleichterung. Dann aber sofort wieder die Konzentration auf die nächste lange Gerade, die durchaus bis zu 3 Km lang sein kann.


Endlich ist Evron erreicht. Großer Orts-/Stadt-Mittelpunkt. Einige Cafés, Restaurants, die um diese Zeit gut besetzt sind. Ich suche mir eine kleinere Adresse aus und vrbringe gute 20 Minuten in strahlender Sonne auf der Terrasse. Die Stimmung ist gut, die zweite Hälfte (noch ca. 80 Km) werde ich auch noch schaffen. Das Wetter ist sehr angenehm.

Bald überquere ich die Autobahn kurz vor Laval und befinde mich am Eingang der Bretagne. Die Landschaft wird schattiger und irgendwann erreiche ich den Fluß Mayenne, der sich an dieser Stelle bereits sehr breit macht.

Die Mayenne ist insgesamt 200 km lang, von denen 125 Km schiffbar sind (so sagt es der Grand Larousse von 1963). Kanalisiert auf 118 Km mit 45 Schleusen ist sie ein Nebenfluss der Maine.


Die Schussfahrt auf Meeresniveau macht Spaß, allerdings es hat es der knackige Anstige zum kleinen Ort Houssay in sich. Dies ist die schwerste Steigung der gesamten Strecke. Mit ca 9-11 % fordern diese 2 Kilometer einen ziemlichen Einsatz. Und das alles nach nach etwa 140 Km ! Oben angekommen stürze ich völlig verschmitzt in ein kleines Café, mein Fahrrad bleibt unbeaufsichtig draußen. Mir ist alles egal, Hauptsache Erfrischung. Im dunklen Raum läuft ein Fernseher und überträgt die letzten Runden der Tour de France 2004 auf den Champs Elysées. Irgendwie habe ich kein Verständnis für diese Hatz. Da ich aber gerade nichts Besseres vorhabe (!), schaue ich mir das Finale an. Danach kleiner Plausch mit dem Wirt und Fachsimpeln mit einem 14-jährigen Fahrrad Interessierten. Ich lasse ihm die Hoffnung, dass Fahrradfahren die schönste Sache der Welt ist.


Dabei verschweige ich ihm das Wesentliche. Besonders als Hobby-Pedaleur stellt man sich viele Fragen über den Sinn und den Unsinn unseres schönsten aller Hobbys. Aber eine Frage dürfen wir uns nie stellen: Warum tun wir uns das an ??



Nach einer weiteren Kurzpause in Cossé-le-Vivien an einem kleinen See quäle ich mich die letzten 30 Km ziemlich mühsam ins Ziel. Meine Vorräte sind aufgebraucht, wie meine Kräfte. Das Hotel am ehemaligen Bahnhof in la Guerche-de-Bretagne ist schnell gefunden und nach dem Einchecken geniesse ich die Ruhe und Erholung auf meinem Zimmer.


Diesmal ist das Hotel sehr schön, sehr gemütlich. Man empfiehlt mir eine französische Pizzeria in der Stadt. Dort lasse ich den Tag gemütlich mit einer Flasche Rosé ausklingen. Es war heute harte Arbeit, aber das Schlimmste liegt hinter mir. Nach zwei Tagen und insgesamt 320 Km sollte ich morgen das Ziel erreichen. Meine letzten Zweifel sind verflogen. Ich freue mich auf morgen.


3. Etappe: 174Km

La-Guerche-de Bretagne nach Carnac

Letzte Etappe...

Die dritte Etappe begann mit einem sehr kultivierten Frühstück in meinem Hotel "La Calèche". High-Light des französisch-spartanischen Frühstücks war eine von Madame selbgemachte Marmelade (oder Confiture), deren Geschmack mir noch 50 Km auf der Zunge bleiben sollte. Im Kopf hörte ich allerdings eine andere Melodie: die vom letzten Glas Rosé in der Bar, Crêperie, Restaurant "Le Passe-Temps Guerchais". Dieser ortsansässige Zeitvertreib war für mich eher eine überzogene Trainigseinheit in Sachen Motivation gewesen ! Essen gut, Trinken gut - na gut.


Die kleine Runde durch das morgendlich verschlafene Guerche ordnete meine Gedanken. Dann reihte ich mich ein Richtung Süden und pedalierte mehr oder weniger begeistert die ersten 10 Km vor mich hin.


Nach 15 Km erreichte ich Retiers. Riesige Kirche im Mittelpunkt, beeindruckend. Jetzt hatte ich meinen Rythmus gefunden, Fahrrad fahren machte wieder richtig Spaß und ich freute mich auf meine erste größere Pause in Bain-de-Bretagne. Vorher sollte ich aber noch Bekanntschaft mit den Riesen der Landstraßen machen, den Containerschiffen, denn die letzten 5 Km bis Bain-de-Bretagne musste ich auf der viel befahrenen D777 zurück legen. Alles in allem nicht schwierig, aber einmal wurde es dann doch eng zwischen mir und einem Container Laster. Streng rechts fahren alleine ist auch keine Garantie, manchmal muss man auch Glück haben, dass der Sog oder Ähnliches nicht eine andere Richtung vorgibt als die geplante !


Dann war das Zwischenziel erreicht und belohnte mich mit dem montäglichen Wochenmarkt im Zentrum der Stadt. Dieses Zentrum liegt allerdings auf einer knackigen Höhe, so dass hier auf den letzten Metern dem Rad-Touristen noch einmal alles abverlangt wird. Fahrrad abstellen und an die "Bar". Nach dem ersten Durstlöscher schaute ich mich nach adäquater Nahrung um und steuerte mit neu erwachtem Lebenswillen zielstrebig auf eine Crêpe-Bude zu. Diese bretonische Spezialität gibt es natürlich nicht nur mit Zucker und Grand-Marnier flambiert sondern auch als Galette mit Schinken, Käse und Spiegelei ! So etwas "Komplettes" musste es schon sein, sollte der Antrieb für weitere 140 Km reichen. Zwei Pfirsiche rundeten die Mahlzeit ab. Mein Zeitplan erlaubte mir eine längere Pause und so genoss ich in Ruhe die lebendige, bretonische Marktatmosphäre.



Technische Details...

  3. Etappe:

  La Guerche-de-Bretagne nach
  Carnac 174 Km

 

  Abfahrt:           8:45 Uhr

  Ankunft:         19:30 Uhr

  Fahrtzeit:         7:30:00 Std

  Durchschnitt:   22,74 km/h


  In der Brutto Fahrtzeit ist eine
  Bootsfahrt von Sauzon nach
  Locmariaquer enthalten.

Ein klärendes Wort zu meinen Pausen !


Dem Kritiker sei hier angemerkt, dass Fahrrad fahren als Selbstzweck durchaus öde sein kann ! Es bedarf schon einiger Kurzweil, um die Freude an dieser Fortbewegungsart zu erhöhen. Nicht der pedalierende Egozentriker, Kilometerfresser und Hardware-fanatische Zweirad-Freak steht mir als Vorbild vor Augen, sondern eher der genusssüchtige, dahin schwebende Rad-Tourist mit dem Anspruch eines Erlebnis-Urlaubs.


Unter diesem Aspekt verstehen sich viele Pausen und auch die Notwendigkeit energiereicher Nahrungsaufnahme reiht sich nahtlos in diesen "(ess)kulturellen" Anspruch ein !


Anschließend führte mich der Weg wieder hinunter auf die D777, die nach Überquerung der N137 als D772 viel weniger Verkehr hat. Das Wetter war inzwischen aufgefrischt und zum erstenmal genoss ich die Wärme und den Windschutz meiner Fahrradjacke. Bei Messac überquerte ich die Vilaine. Jetzt verging die Zeit schnell und nach Pipriac hatte ich nur noch eine anstrengende 16km-lange Strecke bis La Gacilly vor mir, eine malerische Stadt am Fluss Aff.


Hier regiert der Tourismus, Gacilly ist trotzdem ein ruhiger mehr dem provinziellem Ferienbetrieb zuzurechnender Ort. Einige Kunstgeschäfte, Cafés, Restaurants. Mit einem Wort: Der richtige Platz um eine größere Mittags P-a-u-s-e zu machen !!!



Carnac/Plage

- das hatte ich vor meinen Augen stehen und freute mich bereits jetzt auf die Ankunft. Der Blick geht weit in Richtung Atlantik, rechts ist die Halbinsel von Quiberon zu sehen und bei normaler Sicht sieht man am Horizont die Küstenlinie von Belle-Ile.


Der großen Belle-île vorgelagert liegt die île d'Houat und die sehr kleine île Hoëdic. Alle von Quiberon zu erreichen, per Tagesausflug. Natürlich wäre nur Belle île für Fahrradfahrer interessant, 30 Km in der Länge und etwa 10 Km in der Breite. Es gibt hier einige "Löcher" im Parcours (kurze Steigungen), so dass man sich das ganz gut als Kontrastprogramm zum Badespaß vorstellen könnte. Traumhaft schön immer wieder die Steilküste zur Atlantik Seite !

Nach 10 Km durch bretonische Heide- und Ginsterlandschaft erreichte ich den kleinen Ort Le Guélin an der träge fließende Oust. Noch einige kurze Steigungen und nach weiteren 10 Km stand ich am Fuß des idyllischen Ortes Rochefort-en-Terre. Die Fahrt hinauf und hinunter wollte ich mir nicht antun, ich kannte bereits die malerischen Gassen, also nahm ich die D77a und umfuhr das touristisch voll erschlossene Rochefort.


Die Steigung auf dieser D77a hatte es in sich, ebenso wie die anschließende Abfahrt. Ich mußte tatsächlich kräftig verzögern, um nicht mit meinem vollen Rucksack völlig vom Asphalt abzuheben.


Das Gelände bis zum Golf war sehr wellig und forderte noch einmal sehr viel Geduld. Mit den Gedanken war ich bereits am Wasser, mit den Beinen aber leider immer noch im "Tagesgeschäft". Und immer wieder musste ich feststellen, dass die Ortsansässigen weniger vom rechten Weg verstehen als ein durchschnittlich begabter Michelin-Karten-Leser ! So auch diesmal. Man wollte mich in Lauzach doch tatsächlich wegen einer kleinen Straßenreparatur auf Umwege schicken ! Aber dank Michelin und heftigem Selbtsvertrauen konnte ich die Asphaltmaschine umrunden und nach 200 m Furßweg wieder auf den verschlungenen Pfad nach La Trinité Surzur und nach Überquerung der autobahnähnlichen N165 nach Surzur einradeln.



Natürlich war ich sehr aufgeregt, die Fähre nicht zu verpassen. Es gab nämlich nur ein geschlossenes Kassenhäuschen, aber das Vertrauen der Wartenden in den Fahrplan war groß, auch wenn es nur wenige waren. Dann kam das kleine Boot, das gerade groß genug war, um einige Fahrräder aufzunehmen. Tickets wurden vom Kapitän einzeln vergeben. Nachdem die zwei Rad-Touris auch noch eintrafen, war die Mannschaft komplett und wir konnten unsere große Seefahrt beginnen. Tatsächlich konnten alle mitgenommen werden. Das hätte noch gefehlt, eine Übernachtung in Port Navalo, so kurz vor dem Ziel.


Nach einer großen Kurve, um den sehr starken Sog der Fahrrinne auszugleichen, landeten wir in Locmariaquer, einem sehr hübschen, wenn auch recht touristischem Ort auf der anderen Seite des Golfes. Die Aussicht während der Fahrt in den Golf hinein und auf die zahlreichen kleinen Inseln ist immer wieder ein ganz großes Erlebnis. Bei mir kam jetzt richtig Urlaubsstimmung auf, ich hatte es eigentlich schon geschafft


Auf den restlichen 13 Km auf toller Straße, vorbei an einem der berühmtesten Menhire, dem Table des Marchands, schaffte ich bei schlaffem Feierabendverkehr einen Schnitt von 30 Km ! Atemberaubend nahezu die herrliche Aussicht von der Hochbrücke über dem Hafen von La-Trinité-sur-Mèr ! Dann ar es geschafft, eine kleine Runde durchs Dorf und dann auf die Promenade eingebogen. Bei tollem Wetter wurde ich begeistert von den Verwandten begrüßt. Und um es nicht zu spannend zu machen ---- jetzt kam meine schönste Pause !

Die Überquerung der Oust

Noch einige Kilometer und nach Überquerung der sehr stark befahrenen D775 Richtung Vannes und Redon freute ich mich auf meine vorerst letzte Pause in Questembert. Hier war trotz aller Kleinheit richtig Leben auf dem Platz. Auf der Terrasse eines Cafés kalkulierte ich das letzte Teilstück bis Port Navalo auf der Presqu''ìle de Rhuys. Ich musste meine Fähre in Port Navalo um 18:30 Uhr erreichen, die letzte an diesem Tag. Noch hatte ich ein kleines Zeitpolster, aber nachdem bisher alles so glatt verlaufen war, wollte ich kein Risiko mehr eingehen. Also blieb es bei nur einem bière pression...

Der Stich auf der stark befahrenen D20 war nur ein leichter, 8 Km langer Vorgeschmack auf das Straßenerlebnis der D780 ! Während ich mich hier noch vor dem Wind verstecken konnte, erwischte er mich auf der 16 Km Strecke zum Ende der Landzunge total frontal. Nichts ging mehr, gerade dass ich noch die Rad-Touris mit ihrem kompletten Hausrat auf den Rädern überholen konnte. Der Verkehr schoss von hinten an mir vorbei, von vorne kam Lärm, inzwischen auch wieder viel Sonne und vor allem der bretonische Wind. An manchen Stellen hatte ich den Eindruck still zu stehen, dann wieder rollte es hügelab so schlecht, dass ich am liebsten geschoben hätte. Die Qual war erst am äußersten Punkt der Landzunge beendet. Ich erreichte die Kaimauer um 18:10 Uhr, nicht gerade ein großes Zeitpolster, um das Fährboot zu finden und eine "Passage" zu kaufen.


** End-of-Tour **

Aussicht von und über die Ile d'Houat

Ich bin es und meine Ängstlichkeit, mich zu verfahren regt mich etwas auf. Aber lieber alle 30 Minuten geschaut als 10 Km Umweg gefahren. Dennoch nehme ich mir vor, mich stärker auf meinen Orientierungssinn und auf die doch gute Beschilderung zu verlassen. Natürlich verwirrt manchmal der Hinweis "Toutes directions" und der ähnliche Hinweis "Autres directions". Mir fällt eine Karikatur von Serré dazu ein !


Etwas später treffe ich auf eine Gruppe "Kollegen" ! Die pedalierenden Senioren (alles mein Alter !) kommt mir schnaufend entgegen, völlig verschwitzt. Etwas später ahne ich warum: vor mir liegt eine recht steile Strecke in den Ort St.Germain de-la-Coudre hinunter (wer hat diese Namen nur erfunden ?). Der Dorfplatz ist richtig heimelig, Brunnen in der Mitte, Café, Boulangerie, einige kleinere Geschäfte und höflich aber streng im Hintergrund eine massive Kirche.


Am Ortsausgang habe ich ein lustiges Erlebnis: Ein älterer Herr mit Baquette unter dem Arm, Gauloise im Mundwinkel höhnt mir tief über seinen Krückstock gebückt zu: "C'est Lance Armstrong, he, he ?!" Das geht zu weit ! Seit wann fährt der gute Lance mit solch einem Gewicht auf dem Rücken ?? Also erwidere ich laut und deutlich" "Et toi, tu es Jean Gabin ?!"