Ein Artikel aus unserer Schach Zeitung „Schach-Forum“, 07/1998
Auch abgedruckt in der ROCHADE/Hessen
"Auch Du, mein Sohn Vlastimil ?!"
Kurzweil vom Großmeisterturnier in Bad Homburg
Als ich am 26.07.1998 kurz entschlossen nach Bad Homburg fuhr, um aus der letzten Runde des Großmeisterturniers einige Impressionen mitzunehmen, ahnte ich nicht, dass ich Zeuge einer ganz besonderen Pikanterie werden sollte. Es war ein großes Stück Nostalgie, das mich in den Turniersaal, bzw. in den kleinen und engen Hinterraum des Nobelhotels am Stadtpark trieb. Vor langer Zeit einmal hatte ich nämlich gegen Larsen, Hort, und Kortschnoi im Simultanschach gespielt und deshalb war ich neugierig, wie sich diese Herren verändert hatten.
Ich erkannte sie alle wieder, auch Bent Larsen, den ich zum erstenmal 1968 bei der Siegener Schacholympiade erleben durfte. Einige Tische weiter verlor damals Bobby Fischer Butterbrot-kauend in einer Grünfeld-Indischen-Partie gegen Boris Spassky, während Frau Larsen strickend ihren Mann unterstützte. Um ehrlich zu sein, ich war immer ein stiller Anhänger von Bent Larsen, auch wenn das "Danish Dynamite" auf den 64-Feldern nie so spektakulär wie andere agierte. Auch heute strahlte er immer noch eine große Ruhe aus, wenngleich er an diesem Tag gegen Jusupow kräftig ins Rutschen kam.
Meine zwei anderen "Bekannten" spielten in der letzten Runde gegeneinander und so konnte ich bei beiden gleichzeitig kiebitzen. Viktor der Schrecklich hatte sich in diesem Turnier kräftig ins Zeug gelegt. Mit 16 Punkten (3 Punkte für einen Sieg, 1 Punkt für Remis) führte er die Tabelle vor Svidler mit 14 Punkte an und nichts deutete darauf hin, dass er gegen Hort verlieren könnte. Gestik und Mimik verrieten den alten Kämpfer. GM Hort dagegen promenierte leicht und charmant durch den Turniersaal und vermittelte so den Eindruck, als sei der Graben zwischen den Halbgöttern in Schwarz-Weiß auf der einen und dem Schach-Plebs auf der anderen Seite der Absperrung gar nicht so groß.
Aber leider sollte Caissa es ihm nicht danken ! Unter den Augen eines anderen Kiebitzes, GM Wolfgang Unzicker, schenkte die Schachgöttin diesmal Viktor Kortschnoi ihre Gunst und schüttete ihr Füllhorn über sein Haupt so kräftig aus, dass selbst die Schiedsrichterriege peinlich berührt war ! Soviel Freundlichkeiten gibt es wohl selten im Schachzirkus von dieser Götterdame. So blieb denn auch unserem sympathischen Großmeister Vlastimil Hort nichts anderes übrig, als freundliche Miene zum guten Spiel zu machen und das Partieformular zu unterzeichnen.
Ich konnte just diesen Moment, als der schreckliche Viktor seinen Rösselschnapp vollzogen hatte, im Foto festhalten und somit für mich und alle FORUM-Leser als tragisches Beispiel einer verpatzten Stellung erhalten. Da ich kein Blitzlicht verwenden durfte, ist die Qualität leider nicht befriedigend. Dennoch kann man gut erkennen, wie Herr Hort die Ausweglosigkeit seiner Stellung einsieht. Es wurde ruhig, und nur zögerlich nahmen beide Großmeister mit kurzen Gesten die Analyse auf, die dann an anderer Stelle fortgeführt wurde.
Noch unter dem Eindruck der sterilen Stille dieses Ortes und der mahnenden Gebärden der Schiedsrichter, Ruhe zu bewahren, packte ich leise meinen Fotoapparat ein und verließ diese Stätte großmeisterlichen Irrtums. Ich war enttäuscht. Ich hatte nicht erwartet, hier die gleichen Ungerechtigkeiten vorzufinden, wie sie sonst nur in den Niederungen der Schachzunft üblich sind. Meine schachlichen Patzer, meine Peinlichkeiten waren mir bewußt, aber dass sich in diesen elitären Kreisen ähnliche Tragödien abspielten, wollte ich bisher nicht glauben.
Hatte ich nicht noch gestern aus dem berufenen Munde des GM Eric Lobron in der Frankfurter Rundschau ("König und Bauern des Schachsports gehen auf Distanz", FR v. 25.07.98,S. 34) gelesen, "dass die Diskrepanz von der Spitze nach unten zu groß sei, und .... das ästhetische Empfinden eines Maestro durch die Züge der Dilletanten Schaden erleide " ?
Was sollte ich jetzt glauben wer hatte recht ? "Wir sind elitär", sagt Eric auf das Schachspiel bezogen und das habe ich geglaubt ! Wie konnte ich ahnen, dass diese Hohepriester des Denksports ähnlich daneben greifen wie irgendein anonymer Vereinsspieler der unteren Klassen ?
Aber, lieber Eric, auch wenn Du mit uns nichts zu tun haben willst und nur aus finanziellen Gründen, notgedrungen, unsere Nähe suchst, sei versichert: auch ein elitärer Patzer bleibt - elitär ! Selbstverständlich sehen wir in der Übereinstimmung von tragischen Momente keine Gemeinsamkeiten mit dem schachlichen Vermögen deiner Klasse (obwohl es da unter Großmeistern ja auch noch Unterschiede geben soll !). Wir bilden uns auch nicht ein, deine Spezie schlagen zu können und fallen nicht in Ego-Krisen, sollte es uns einmal gelingen, "Großwild" zur Strecke zu bringen (siehe o.a. Artikel). Wir "überschätzen uns auch nicht maßlos", wie Du meinst, sondern respektieren und bewundern durchaus große Talente und die Zähigkeit Deinesgleichen, "mehrere Stunden Zeit täglich" für das Schachspiel "zu investieren" - während wir anderen Beschäftigungen nachgehen (müssen).
Im Hotelfoyer schnappte ich einige Gesprächsfetzen von GM Wolfgang Unzicker auf, der von seinen Begegnungen mit Robert Fischer erzählte. Er erinnerte drei Partien gegen Fischer und verstand es mit wenigen Worten, dichte Schachatmosphäre zu vermitteln. Wie tröstend war dies kleine Erlebnis im Gegensatz zu den professionell abgezockten Überlegungen des GM Eric Lobron ! Hier Geschichte, spannend erzählt, ohne Berührungsängste vor unteren Klassen, dort arrogante Distanz zum Breitensport.
Lange vor dem allzu menschlichen und schachlich Brücke schlagenden Fehlgriff des GM Vlastimil Hort hatte ich mich entschieden:
Ich würde nie als Zuschauer zu einem Schachturnier gehen, um den Großmeister Eric Lobron zu erleben ! Dieses Erlebnis wäre mir viel zu elitär !
Heinz-Friedrich Cors
Vlastimil Hort - Viktor Kortschnoi
Artur Jussupov - Bent Larsen
Eugenio Torre - Peter Svidler
Artur Jussupov - Bent Larsen
GM Turnier in Bad Homburg, 1998
Wolfgang Unzicker vor der Turniertabelle
In der Frankfurter Rundschau habe ich am 29,.4. einen sehr stimmungsvollen und treffenden
Artikel zum Thema „Freud und Leid beim Schachspiel“ entdeckt.
Mit Erlaubnis von Hrn Fischer und der FR habe ich diesen Artikel hier eingestellt
und hoffe, dass die Leser meiner Rubrik ebensoviel Freude an dem Artikel haben werden
wie ich !
Die Schilderungen kann bestimmt jeder nachvollziehen, der schon einmal an einem Open-Turnier
teilgenommen und dabei bestimmt ähnliche Erfahrungen gemacht hat.
Viel Spaß bei der Lektüre !
30.04.2011 „Kampf am Brett“, eine Schachgeschichte in der FRANKFURTER RUNDSCHAU
10.05.2011 Schach und Symmetrie - Wie symmetrisch ist das Schachspiel ?
„...Mit dem geometrischen Begriff „Symmetrie“ bezeichnet man die Eigenschaft, dass
ein geometrisches Objekt durch bestimmte Umwandlungen auf sich selbst abgebildet
werden kann, also unverändert erscheint. (Zitat Wickipedia) ..“
Das Schachspiel bietet mit seinen 64 Feldern, den Postitionen seiner Figuren, mit
vielen Motiven im Ablauf einer Schachpartie Assoziationen zur Symmetrie. Nun mag
es einem Schachspieler relativ egal sein, wie „symmetrisch“ seine Postition erscheint,
ihm ist eigentlich nur das Ergebnis wichtig - möglichst natürlich ein positives.
Aber schon beim oberflächlichen Studiums des Spiels, zeigt sich, dass die Kenntnis
von symmetrischen ‚Objekten’ beim Schachspiel äußerst wichtig ist. Die hinlänglich
bekannte ‚Opposition der Könige’ im Endspiel ist ein Beispiel dafür.
Während eines Open-Turniers hatte ich vor Jahren ein sehr schönes Erlebnis zu diesem
Thema. Dort spielt ein - damals noch - jugoslawischer Meister im Foyer Blitz gegen
Interessierte, wobei er immer nur eine Minute pro Partie für sich einstellte, seinem
Gegner aber fünf Minuten zubilligte. Der Einsatz waren jedesmal 5 DM. Nach einigen
Spielen hatte er wohl genug von seiner Überlegenheit und gab den Zuschauern ein spannendes
Rätsel auf.
Damenturm-Matt in 5 Zügen
„Welches ist erster Zug mit linkem Turmbauern, für Matt mit Damenturm in 5 Zügen
?“
Ob dieser Frage begann natürlich großes Grübeln im Halbreis der Schachadepten, bis
sich schließlich jemand erbarmte und schüchtern den Zug 1.a4 auf dem Brett ausführte,
in der Meinung, dass dies die mutigste Annäherung an das Problem wäre !
„Völlig falsch !“ kommentierte der Meister und zeigte uns die Lösung:
„1 a3 !!!“ Dies ist korrekter Zug, nur der gewinnt in 5 Zügen Matt!“
Das war natürlich überzeugend. Auch wenn der schwarze Monarch und sein getreuer Läufer
mithelfen mussten, es war doch eine verblüffende Lösung. Prompt folgte darauf natürlich
die nächste Frage in der durchaus begründeten Hoffnung, dass die Schüler etwas gelernt
hatten:
Königsturm-Matt in 5 Zügen
„Und weil sie gelernt haben von erstem Fall, wissen sie jetzt natürlich, welches
ist erster Zug mit rechtem Turmbauern !??“
Diesmal gab es weniger Grübeln und nach kurzer Zeit schob ein Zuschauer - in der
Erkenntnis, verstanden zu haben - den rechten Turmbauern ein Feld vor auf h3. Ein
verzweifelter Aufschrei des Meisters war die Folge..
„Wieder völlig falsch ! Sie haben nicht aufgepasst ! Richtig ist 1. h4 !! Bauer muss
zwei Felder nach vorne, nur das ist korrekter Zug, der gewinnt“
Es gab natürlich viel Gelächter und endlich war allen klar, warum Schach symmetrisch
ist !!
Grundstellung im Schachspiel
Lienien, Reihen und Diagonale bieten ein symmetrisches Bild
Chen Zhu (WGM) - Rustem Dautov
Linkes Diagramm:
Dies war die Stellung nach 21...Tce2, als ich ans Brett kam. Hort zog jetzt 22.Sc5 in der Meinung,d ass dieses Pferd wegen des Grundlinien-Matts auf d8 geschützt sein !
Rechtes Diagramm:
Nach 22...Scx5 23.Td8+ spielte Viktor der Fürchterlich aber einfach Sf6-e8 und Hort musste erkennen, dass es eben doch kein Grundlinien-Matt war. Mit einer Figur wenige gab er auch sofort auf.
Hort, Vlastimil 2510 - Kortschnoj, Viktor 2625 0-1 A13 Bad Homburg (9)
2009 Schach-Bundesliga bei SV Griesheim 1976
Ein kleiner Schnupperkurs in Sachen Profi-Schach
„Der SV Griesheim steht vor seiner größten schachlichen Herausforderung ...in seiner
Schachgeschichte !“ schreibt der 1.Vorsitzende, Prof. Dr. Joaquin Diaz, in seinem
Grußwort zum Beiheft. Und tatsächlich hat diese Mannschaft mit ihrem Aufstieg in
die 1. Bundesliga Großes geleistet. Und sie stehen als Aufsteiger nach zwei Runden
und zwei Unentschieden nicht mit leeren Händen da. Respekt !
Am Wochenende 12.-14. November trafen sich vier Mannschaften der 1. Bundesliga zur
3. , 4. und 7. Runde in Griesheim. Und am Samstag musste die SV Griesheim gegen den
bisherigen Spitzenreiter, den SV Werder Bremen, antreten. Die Kollegen aus dem Norden
kamen mit berühmten Namen und in ihren grünen Vereinstrikots wirkten sie durchaus
spitzenreitermäßig.
Im noch jungfräulichen Spielberichtsbogen waren für Werder Bremen nur Großmeister
vermerkt, und auch die Dame am 8. Brett, Almira Skripchenko, darf sich zu dieser
Elite zählen, wenn auch als WGM. Madame ist Französin und wurde im diesem August
die 85. Meisterin Frankreichs. Damit tat sie es ihrem Mannschaftskollegen Lauren
Fressinet nach, der bei dieser Veranstaltung Meister bei den Herren wurde. Auch wenn
Frau Skripchenko sich laut Interview der Zeitung „Europe Echecs“ (Oktober 2010) zukünftig
mehr dem professionellen Pokerspiel verschreiben möchte, ist sie schachlich ein Schwergewicht,
wie sie es auch in Griesheim zeigte. Allerdings profitierte sie in taktisch offener
Stellung im 17.Zug von einem Fehler ihres Gegners.
Am 6.Brett spielte der Griesheimer Krzysztof Bulski gegen Zbynek Hracek eine sehr
schöne Gewinnpartie. Griesheim verlor am Ende zwar 3:5., aber am nächsten Tag wurde
gegen die Mannschaft aus Delmenhorst gepunktet, ebenfalls mit 5:3.
Die zwei Partien vom 6. Und 8. Brett können hier nachgespielt werden:
6., 8. Brett SV Griesheim - Werder Bremen
Kurz vor Spielbeginn: a) In Grün von links nach rechts: Luke McShane, Laurent Fressinet,
Zahar Efimenko. B) Ronald Köhler gegen Almira Skripchenko